Ich reaktiviere mal diesen Thread, weil's thematisch gerade paßt.
Ich habe eben
dieses YT-Video gesehen und nur noch den Kopf geschüttelt, allerdings möchte ich mich hier auf zwei Dinge beschränken: Radioempfang und Kommunikation. Fangen wir mit dem Radioempfang an. Da wird u.a. ein Kurbelradio empfohlen. Per se nicht schlecht, aber der Teufel steckt wieder mal im Detail: Es gibt viele verschiedene Kurbelradios, aber bei einem Blackout, also einem großflächigen Stromausfall, werden einem ausschließlich jene Modelle etwas nützen, die kurzwellenfähig sind. Wenn wie im Video gezeigt dann auch noch Handys als Ersatzlösung empfohlen werden, die bestenfalls UKW-Rundfunk können, dann kommt man damit bestenfalls genauso weit wie mit DAB+. Da ein Blackout aber ein großer, überregionaler Stromausfall ist, nützen einem UKW und DAB+ so ziemlich rein gar nichts. MW und LW sind zumindest mit Fragezeichen behaftet und Al Jazeera wie im Video genannt wird man auf MW und LW wohl kaum empfangen. Also braucht das Ding schon mindestens KW und eigentlich noch irgendeinen Langdraht. Für Hobbyfunker kein Thema, aber diese ganzen Vorsorgevideos wenden sich ja eigentlich an Zivilisten. Da könnte es im Blackoutfall tatsächlich lange Gesichter geben.
Noch extremer ist die Empfehlung zum Kauf von Funkgeräten. Da steht zu befürchten, daß die meisten sich einfach "irgendwas" kaufen und einlagern. An die Energieversorgung werden vermutlich nur wenige denken, an das SWR (bei Mobilgeräten) noch weniger. Also landet der Plunder in irgendeiner Pappkiste in der Erwartung, daß man dann, wenn es soweit ist, ja "schnell mal" die Anleitung lesen könne, wie die Dinger zu bedienen seien. Am Tag X ist es dann soweit, die Geräte werden aus der Schachtel gekramt und wenn wir Glück haben, funktioniert sogar irgendeine Form von Stromversorgung, auch wenn ich da bei Zivilisten eher erhebliche Zweifel habe. Bei einem Mobilgerät mache ich mir bzgl. SWR keine falschen Hoffnungen - das wird in 99% der Fälle, wenn die Kundschaft keine Ahnung von Funktechnik hat, definitiv schiefgehen.
Nehmen wir aber mal an, das SWR paßt irgendwie, die Dinger (egal ob CB, PMR oder AFu) lassen sich tatsächlich einschalten. Heureka, die LCD-Hintergrundbeleuchtung brennt. Aber es kommt kein Ton aus dem Lautsprecher. Von Rauschsperre oder RF-Gain versteht der Normalsterbliche tatsächlich nichts, für ihn ist das teure Funkgerät aus Jeff Bezos' Kolonialwarenladen schlichtweg kaputt.
Aber wollen wir mal nicht so sein und durch einen glücklichen Umstand passen Rauschsperre und RF-Gain und empfangen sogar was. Bei CB drehen die Leute über die Bänder, hören vielleicht sogar irgendwelche verkratzten Geräusche, die aber nicht wirklich menschlich sind. Vermutlich paßt dann die Modulationsart nicht. Wissen das irgendwelche Zivilisten? Beim Radio mußten sie niemals AM/FM/LSB/USB einstellen, aber bei CB plötzlich schon. Wenn dies Unbedarfte aber nicht wissen, wird's schwierig.
Bei PMR wär's auch nicht verkehrt, den richtigen Subton zu verwenden. Aber ist der vorher auch einprogrammiert worden? Weiß unser Notfunker überhaupt, was CTCSS ist? Mein schon lange nicht mehr vorhandener Optimismus schwindet weiter dahin.
Seien wir also gnädig und die Stromversorgung paßt, das SWR, Rauschsperre/RF-Gain und durch einen irrwitzigen Zufall stimmt sogar die Modulationsart und/oder der Subton; wenn sie auf dem richtigen Kanal sind, wissen dann wirklich alle, die immer brav ihre Hollywoodfilme gesehen haben (gerade dort habe nämlich oft falsche Bedienung gesehen), daß man zum Sprechen die PTT drücken und vorzugsweise sie bei RX auch wieder loslassen muß?
Im AFu (es wurde immerhin mehrfach Baofeng empfohlen) wird es noch drolliger, da muß ggf. noch eine Ablage richtig programmiert werden. Manche Relais müssen mit dem richtigen Subton geöffnet werden, andere mit 1750 Hz, was unser Aushilfsprepper natürlich nicht weiß. Denjenigen, die immer alles gleich digital haben/kaufen wollen, wird das beim Kauf von DRM-Büchsen zum Glück erspart bleiben, denn ohne CodePlug tut das Ding noch weniger als gar nichts und selbst mit braucht's immer noch eine DRM-ID, die sich partout nicht in der Schachtel finden läßt und ganz bestimmt vom Hersteller vergessen wurde. Und auch bei FM: Ob Funkamateure einer Station ohne Rufzeichen antworten, steht noch einmal auf einem ganz anderen Blatt.
Aber gestehen wir ihm einmal zu, er wüßte das mit der PTT, dann hört er plötzlich wirre Buchstabenfolgen wie CQ, QRV, QTH und dergleichen, deren Bedeutung er natürlich nicht kennt.
Tatsächlich haben wir hier mindestens fünf Dutzend Fallstricke und die Wahrscheinlichkeit, daß das vermeintliche Notruffunkgerät am Ende nur rausgeschmissenes Geld war, ist für Zivilisten, die ansonsten mit Funk absolut rein gar nichts zu tun haben, ziemlich hoch.
Lösung für lizenzfreien Funk: Die Lösung ist eigentlich ganz simpel, wird vielen aber nicht gefallen: Den Funk vorher a)
ausgiebig ausprobieren und b) immer wieder regelmäßig üben. Dann kann man Fehlerquellen abstellen, solange Strom, Internet und Handy noch funktionieren. Der Zwang, das rettende Funkgerät immer wieder in Betrieb zu nehmen, muß aber auch in den YT-Videos kommuniziert werden und genau das geschieht leider nicht.
Lösung für lizenzierten Funk:
Gar keine! Man kann nicht einfach so mit seinen billigen Baofengs üben und Fehlerquellen rechtzeitig abstellen, solange man kein Rufzeichen hat. Deswegen halte ich das für komplett
unverantwortlich, AFu-Geräte für Prepperzwecke zu empfehlen.
Erster Schritt in die richtige Richtung
Theoretisch könnte man nun ein PDF-Buch zusammenstellen, wie man mit CB und PMR in einer Notsituation eine Funkverbindung aufbaut. Ich sehe das trotzdem als sehr kritisch an aus folgendem Grund: Wenn man das PDF-Buch so gestaltet, daß es alle Fragen tatsächlich erschöpfend beantwortet, dann wird es den zivilen Aushilfsprepper, wenn er es denn liest und auch beherzigt, vermutlich spätestens ab Seite 3 so abschrecken, daß er zumindest die Geldausgabe für irgendwelche Funkgerätschaften spart. Vielleicht einer von zehn wird anders sein und sich tatsächlich in die Materie hineinfuchsen und später beim Notfunk auch etwas zustande bringen, aber mehr als einer von zehn wird's nicht sein.
Zweiter Versuch: Workshops anbieten. Da verspreche ich mir eine deutlich höhere Ausbeute, aber wieviele es dann am Ende wirklich werden, das weiß ich absolut nicht.
73 de Pessimist