Ich habe mir eure Diskussion mit einer Mischung aus amüsiert sein und Bedauern durchgelesen.
Ein zivilisierter Umgangston ohne Beschimpfungen ist hilfreich, wenn man vom Gegenüber ernstgenommen werden will. Wer mehr darüber erfahren will, lese Watzlawick.
Ich bin lizenzierter Funkamateur (OE9LAJ) und habe von 2008-2001 und 2015-2016 im HFT-Bereich in Zug (HB9) und Hong Kong (VR2) gearbeitet. Ich gebe zu, ich habe jetzt keine Berechnungen über die verfügbare Bandbreite, Latenzen durch Umwandlung von UDP in Kurzwelle etc. angestellt, das müsste man aber tun, um die Geschichte technisch-wissenschaftlich beurteilen zu können. Weder 13DL04, noch DK7IH haben das getan, um ihre jeweiligen Argumente zu untermauern. Was ich liefern kann, ist etwas Hintergrund zu HFT und eine grobe Abschätzung des Potentials von Kurzwelle vs Glasfaser.
Zu DK7IH's Punkten:
a) Weise nach, dass HFT über Kurzwelle irgendwo auf der Welt betreiben wird, insbesondere dass zwischen den Börsen in London und in NY eine entsprechende Verbindung existiert bzw, geplant ist.
b) Erkläre, wie die von mir referenzierten hohen Bandbreiten (siehe mein Posting von vorgestern mit den entsprechenden Nachweisen des Bandbreitenbedarfs) über einen schmalen Kanal im Kurzwellenbereich übertragen werden können.
c) Leite her, wo ich mich zum Thema "Richtfunk" fachlich falsch geäußert habe.
d) Edit: Erkläre, warum die Verbindung von "Wachenbuchen" zum Rechenzentrum (ca. 16km lt. Entferungsrechner) über die störanfällige Kurzwelle abgewickelt wird und nicht ebenfalls über Mikrowellenrichtfunk!
a) Nachweis, dass HFT über Kurzwelle betrieben wird: schwierig
Zu der These, dass alle Infos im Internet zu finden sein müssten, muss ich Dich leider enttäuschen. Diese Firmen sind sehr auf den Schutz ihrer Betriebsgeheimnisse erpicht, und auch nicht darauf angewiesen, ihre Investoren über Infos auf ihrer Website zu finden. Oft betreiben sie Eigenhandel, dh sie brauchen gar keine Investoren. Wenn im Raum Frankfurt nur empfangen wird, wird da in der Nähe auch nix zu hören sein, und bei der BNetzA ist vermutlich auch nix anzumelden (ich kenne die deutsche Rechtslage nicht). Das einzige, was sicher nötig ist, ist eine Baugenehmigung...
Wenn man rausfinden will, ob da was läuft, müsste man sich die Senderseite in der Nähe von Chicago ansehen, die entsprechenden FCC-Genehmigungen, und falls dort nicht genug an Info drin ist, vor Ort hinfahren und mit einem Spectrum Analyzer nachschauen. Zu Handelszeiten...
b) hohe Bandbreite
Es stimmt, dass die Bandbreiten, die zum Einsatz kommen, mitunter sehr hoch sind. Vor 2 Jahren waren das redundante 10Gbps-Anbindungen zB an der CME in Chicago und der Eurex in Frankfurt. Die Marktdaten kommen über FIX/FAST, ITCH oder ähnliche Delta-Protokolle daher, dh es werden, vereinfacht ausgedrückt, ein initialer Status pro Instrument und dann nur Differenzen übertragen. Das ist ein Datenstrom über UDP multicast, hier gibt es keine Garantie, dass ein Datenpaket fehlerfrei ankommt. Es gibt "sequence numbers", anhand derer Paketverlust oder jitter (Pakete kommen nicht in der vorgesehenen Reihenfolge an) identifiziert werden können, und entsprechende Mechanismen, um fehlende Pakete "nachzuholen", damit man wieder ein konsistentes Bild vom Orderbuch hat. Aber es braucht in den meisten Fällen keine zuverlässige Zustellung von Paketen, der Geschwindigkeitsgewinn durch den Verzicht auf TCP ist wichtiger.
Die Order-Sessions hingegen basieren sehr wohl auf TCP, die zum Einsatz kommenden Protokolle sind FIX, OUCH oder ähnliche. Hier will ich ja wissen, ob meine Order an der Börse angekommen ist, ob sie angenommen wurde, abgelehnt, teilweise oder komplett ausgeführt wurde. Die Bandbreite der Order-Sessions ist naturgemäss viel niedriger, als die der Marktdaten (nur eigene Transaktionen vs der gesamte Markt).
Die hohen Bandbreiten stehen aber naturgemäss nur direkt in den Börsenrechenzentren zur Verfügung, ausser jemand hat *sehr* viel Geld für dark fibre über längere Strecken. Man fischt sich aus diesen Marktdaten die für die jeweilige Strategie interessanten Infos heraus. Würde ich so etwas heute implementieren, würde ich eine Vorverarbeitung in einem FPGA direkt auf der Netzwerkkarte durchführen, und nur die für mich relevanten Informationen an die Software weitergeben. Das ist eine massive Reduktion der in Frage kommenden Datenmengen. zB
https://exablaze.com/exanic-x40
Wenn ich eine Arbitrage-Strategie zB zwischen der CME und Eurex aufsetze, kann man die Trading Engine auch verteilt laufen lassen. Hier geht es dann nur noch darum, dass die zwei Aussenstellen möglichst schnell miteinander kommunizieren, und weniger um die Datenmenge. Die Trading-Strategien werden am Anfang des Tages geladen, und meistens untertags nicht verändert, das setup ist also auf beiden Seiten des Teichs dasselbe. Die Software hat vermutlich gewisse Trigger, und wenn diese ausgelöst werden, werden erst Trades auf beiden Seiten des Teichs ausgelöst. Wenn ich für jeden Trigger eine entsprechend kurze numerische ID vergebe, sind es nur noch ein paar Bytes, die ich über den Teich schicken muss... das geht mit PSK31 und Konsorten. Um die Latenzen niedrig zu halten, müssten auch hier FPGAs zum Einsatz kommen. Und der "Sniper in Mahwah" hat Fotos von einem Ettus Research USRP X300 gepostet.
https://www.ettus.com/product/details/X300-KIT Damit lässt sich eine schnelle Verarbeitung der oben erwähnten Datenmengen komplett in Hardware realisieren. So unglaubwürdig ist das, was der "Sniper in Mahwah" gepostet hat, also nicht.
zu c) werde ich mich nicht äussern
d) das ist vermutlich ein Tippfehler. Für kurze Distanzen kommt sicher Mikrowellenrichtfunk zum Einsatz, alles andere ist nicht sinnvoll.
Nun zur generellen Argumentation, warum HFT über Kurzwelle interessant sein könnte:
* Als Glasfaserkabel zwischen New Jersey und Chicago bzw London und Frankfurt nicht mehr schnell genug waren, ist man auf Mikrowelle umgestiegen. Das geht naturgemäss nur mit Verstärkern alle paar dutzend Kilometer, die vorzugsweise analog arbeiten, sonst kommt zuviel Verzögerung dazu. Über den Atlantik wird das mit den Mikrowellen-Richtfunkstrecken also eher schwierig.
* Wenn sich Funk gegen Glasfaser schon auf relativ kurzen Strecken wie New Jersey-Chicago durchsetzen konnte, dann umso mehr auf einer transatlantischen Strecke.
Zur Veranschaulichung:
In der Glasfaser kommen wir nur auf 0,7*c. Zur Abschätzung der Grössenordnungen reichen uns die Flughäfen Chicago O'Hare International Airport (ORD) und FRA, die knapp 7000km voneinander entfernt sind.
Licht im Vakuum und Funkwellen breiten sich mit c aus, benötigen also für die Strecke Chicago-Frankfurt
tr = s * cr, also 7.000.000 m*(300.000.000 m*(s^-1)), ergibt 0,0233333... s, also 23ms (ein Weg)
Die Glasfaserstrecke sieht so aus:
tg = s * cg, 7.000.000 m * ((300.000.000*0,7)*(s^-1)), ergibt 0,033333... s, also 33ms
Der Unterschied sind 10ms. Das ist im algorithmic trading / high frequency trading eine *Ewigkeit*, und da gehen sich jedenfalls noch Konvertierungen etc. auf FPGAs aus, die sich im Mikrosekundenbereich bewegen.
Einer *sachlichen* Diskussion gegenüber bin ich aufgeschlossen, aber bitte verschont mich mit Beschimpfungen und Besserwisserei.