Hinzufügen eines Trägers zu SSB

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DocEmmettBrown
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Hinzufügen eines Trägers zu SSB

#1

Beitrag von DocEmmettBrown »

Ich schaue schon seit längerer Zeit nach Schaltungsbeispielen, wie man mit einem einfachsten AM-RX (Geradeaus-RX, Audion oder vielleicht auch Superhet) auch SSB und CW empfangen kann.

Bei den Audionschaltungen erreicht man das holpernd und stolpernd, in dem man den rückgekoppelten Eingangsverstärker ein bißchen übersteuert und zum Pfeifen bringt. Das ersetzt sinnbildlich den BFO und heraus kommt irgendwas, was man mit etwas Phantasie als menschliche Stimmen hören kann. (Selber noch nicht ausprobiert.)

Ich habe jetzt bei Burkhard Kainka alias DK7JD ein etwas anderes Konzept gefunden, bei der die Eigenschwingung durch zwei PNP-Transen (mit einem Poti geregelt) erledigt wird. Bild dazu:
Bild
Quelle: http://www.b-kainka.de/bastel3.htm
Der nachfolgende Elko mit 1 µF soll (vermute ich!) zusammen mit dem folgenden NPN-Transistor in Emitterschaltung einen Hüllkurvendemodulator bilden. Soweit so gut. Aber nun meine Frage:

Eigentlich stellt das Gesamtkonzept doch einen DSB- oder Zweiseitenband-RX dar. Ein klassischer SSB-RX ist das doch nicht, weil auch gar nicht nach LSB und USB unterschieden wird. Funktioniert dieses System denn dann trotzdem oder wie muß ich mir das vorstellen?

Zweite Frage: Der Doppel-PNP-Oszillator ergänzt ja eigentlich nur im weitesten Sinne den fehlenden Träger. Dahinter müßte das ja eigentlich mehr oder weniger AM (oder irgendwas AM-ähnliches) sein. Könnte man anstelle des nachfolgenden Hüllkurvendemodulators mit der NPN-Emitterschaltung auch einen Geradeaus-RX-IC nehmen wie den TA7642, der so etwas ähnliches wie eine AGC hat?

73 de Daniel
gernstel
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Re: Hinzufügen eines Trägers zu SSB

#2

Beitrag von gernstel »

Das ist recht einfach: Wenn Du durch Selbsterregung des Schwingkreises einen Träger "daneben" stellst, dann wird im nachfolgenden Demodulator ein unterhalb dieses Trägers liegendes LSB-Signal ebenso passend demoduliert wie ein oberhalb liegendes USB-Signal.
Bei vollem Band mit dichter Belegung in "Kanalabstand" würde man also zeitgleich neben dem Wunschsignal noch von der anderen Seite ein invertiertes hören.

Die einzige Selektion ergibt sich aus dem Schwingkreis, der durch seine Entdämpfung schon sehr schmalbandig sein kann, naturbedingt durch die Erregung auf der Trägerfrequenz allerdings auch mindestens zwei Signale empfängt, sofern vorhanden.

Es gab einmal einen "Q-Muliplier", wenn ich mich recht entsinne. Da wurde in einem Superhet-Empfänger eine ZF-Stufe selbst erregt, um als BFO zu dienen.

Ich finde es ziemlich erstaunlich, mit welcher Begeisterung diese Schaltung beschrieben wird. Sie dürfte unter Drift leiden, also dass die Frequenz langsam wandert und sie braucht meiner Meinung nach mindestens noch eine Feineinstellung, eine "Lupe", um gerade bei SSB die Frequenz feinfühlig einstellen zu können. Speziell bei höheren Frequenzen wird man sonst nicht glücklich.

Und damit zum TA76422 (und seinen Vorgängern): Der bringt noch einmal eine sehr hohe Verstärkung ein, die in dieser Schaltung schon fast zu viel sein kann. Tatsächlich könnte man allein mit ihm schon eine Rückkopplung erzielen, indem man am Ausgang eine kleine Koppelschleife ergänzt in Serie mit der weiteren Schaltung und diese dem Eingangsschwingkreis nähert. Ob die 30dB Regelumfang viel bringen, weiß ich nicht. Sie könnten die Ohren schonen. Dieses IC ist allerdings für Mittelwelle konzipiert und verliert um 3...5 MHz drastisch an Verstärkung.

Wie immer gilt: bauen. So lässt sich die Technik im wahrsten Sinn des Sinnes begreifen und dröge Theorie plötzlich lebendig in der Praxis anwenden.
Einen 80-m-Band Taschenempfänger könnte ich mir gut vorstellen.
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DocEmmettBrown
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Re: Hinzufügen eines Trägers zu SSB

#3

Beitrag von DocEmmettBrown »

gernstel hat geschrieben: Fr 26. Apr 2019, 07:09Wenn Du durch Selbsterregung des Schwingkreises einen Träger "daneben" stellst, dann wird im nachfolgenden Demodulator ein unterhalb dieses Trägers liegendes LSB-Signal ebenso passend demoduliert wie ein oberhalb liegendes USB-Signal.
Bei vollem Band mit dichter Belegung in "Kanalabstand" würde man also zeitgleich neben dem Wunschsignal noch von der anderen Seite ein invertiertes hören.
Habe ich das richtig verstanden, daß der RX dann prinzipiell DSB empfangen könnte, aber nur eines der beiden SSB-Seitenbänder aus der Luft zugeführt bekommt?
gernstel hat geschrieben: Fr 26. Apr 2019, 07:09Die einzige Selektion ergibt sich aus dem Schwingkreis, der durch seine Entdämpfung schon sehr schmalbandig sein kann, naturbedingt durch die Erregung auf der Trägerfrequenz allerdings auch mindestens zwei Signale empfängt, sofern vorhanden.
Zum Thema Entdämpfung: Ist diese Schaltung denn (auch) ein klassisches Rückkopplungsaudion? Ich bin mir da etwas unsicher.
gernstel hat geschrieben: Fr 26. Apr 2019, 07:09Es gab einmal einen "Q-Muliplier", wenn ich mich recht entsinne. Da wurde in einem Superhet-Empfänger eine ZF-Stufe selbst erregt, um als BFO zu dienen.
Meintest Du diesen hier, den ich eben gefunden habe?
gernstel hat geschrieben: Fr 26. Apr 2019, 07:09Ich finde es ziemlich erstaunlich, mit welcher Begeisterung diese Schaltung beschrieben wird. Sie dürfte unter Drift leiden, also dass die Frequenz langsam wandert und sie braucht meiner Meinung nach mindestens noch eine Feineinstellung, eine "Lupe", um gerade bei SSB die Frequenz feinfühlig einstellen zu können. Speziell bei höheren Frequenzen wird man sonst nicht glücklich.
Der Grund ist furchtbar einfach: Sie sind vor allem billig, durch die begrenzte Anzahl von Bauteilen leicht zu verstehen und damit sehr gut als Kinderbastelprojekt geeignet.
Das Problem mit der Lupe ist mir bekannt und viele Schaltungen sehen eine solche ja auch vor. Es stellt sich auch noch die Frage, ob man den teuren Foliendrehko mit einer ebenfalls teuren Achsverlängerung nicht durch eine C-Diode ersetzt. Dann bräuchte ich aber möglicherweise eine LM78xx-Spannungsregelung. Diese Frage habe ich aber erst noch einmal vertagt. Erst einmal geht es mir nur um die Option eines vergleichsweise billigen SSB-Empfangs.
gernstel hat geschrieben: Fr 26. Apr 2019, 07:09Und damit zum TA76422 (und seinen Vorgängern): Der bringt noch einmal eine sehr hohe Verstärkung ein, die in dieser Schaltung schon fast zu viel sein kann. Tatsächlich könnte man allein mit ihm schon eine Rückkopplung erzielen, indem man am Ausgang eine kleine Koppelschleife ergänzt in Serie mit der weiteren Schaltung und diese dem Eingangsschwingkreis nähert.
Hey, gute Idee! :tup:
gernstel hat geschrieben: Fr 26. Apr 2019, 07:09Dieses IC ist allerdings für Mittelwelle konzipiert und verliert um 3...5 MHz drastisch an Verstärkung.
Das stimmt zwar, aber es gibt Berichte, daß das IC bis zum 49 m-Band (z.T. sogar bis 41 m) sogar noch brauchbar sein soll. Allerdings würde ich mir da immer noch die Option eines Konverters mit einem NE612-Mischer offen lassen, auch wenn der zusammen mit einem Quarz wieder ein paar Euro kostet. Aber das ist ebenfalls vertagt. Für den Anfang reichen 80 m völlig aus.
gernstel hat geschrieben: Fr 26. Apr 2019, 07:09Wie immer gilt: bauen. So lässt sich die Technik im wahrsten Sinn des Sinnes begreifen und dröge Theorie plötzlich lebendig in der Praxis anwenden.
Einen 80-m-Band Taschenempfänger könnte ich mir gut vorstellen.
Das Bauen habe ich vor, muß das aber erst auf den Sommer vertagen, weil ich derzeit zu eingespannt bin. Die Ideen sammle ich allerdings schon mal auf. (Beispielsweise die Idee eines billigen S-Meters mit ein paar LEDs und einem LM324, die man mir gestern zusteckte.)
Meinst Du mit einem 80 m-Band-Taschenempfänger in etwa sowas?

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Re: Hinzufügen eines Trägers zu SSB

#4

Beitrag von gernstel »

Habe ich das richtig verstanden, daß der RX dann prinzipiell DSB empfangen könnte, aber nur eines der beiden SSB-Seitenbänder aus der Luft zugeführt bekommt?
Ja. Nur eben, weil in der "Mitte" der Empfängerbandbreite die Eigenschwingung=der Träger liegt, können prinzipbedingt bei entsprechender Bandbelegung auch zwei Signale zeitgleich gehört werden, das zweite dann spiegelverkehrt.

Einfach mal Aufmalen: Einen dicken Strich in der Mitte als Träger und links und rechts davon als Balken die Seitenbänder. Das Seitenband mit den tieferen Frequenzen ist das untere Seitenband LSB; dort beginnt f(0) am Träger und (f)max der NF liegt tiefer. Das Seitenband mit den höheren Frequenzen ist das obere Seitenband USB; dort beginnt f(0) am Träger und f(max) der NF liegt höher. Liegen nun mehrere LSB-Aussendungen direkt nebeneinander, dann wird die einfache Schaltung immer zwei zugleich empfangen, davon eine spiegelverkehrt und ggf. frequenzverschoben. Aber die Bänder sind ja nicht immer so voll.
Meintest Du diesen hier, den ich eben gefunden habe?
Ich kenne eher einen Eingriff auf der ZF-Ebene eines Superhet-Empfängers. Das gab es entweder schon eingebaut oder als Zusatzgerät.

Hier von Heathkit mit Funktionsbeschreibung https://www.vintage-radio.info/download.php?id=91
Und hier als moderne Version http://sm0vpo.altervista.org/use/qmult.htm

Durch die Erregung eines ZF-Kreises steigt dessen Güte und damit Schmalbandigkeit. Bis hin zur BFO-Wirkung.
Das stimmt zwar, aber es gibt Berichte, daß das IC bis zum 49 m-Band (z.T. sogar bis 41 m) sogar noch brauchbar sein soll. Allerdings würde ich mir da immer noch die Option eines Konverters mit einem NE612-Mischer offen lassen, auch wenn der zusammen mit einem Quarz wieder ein paar Euro kostet. Aber das ist ebenfalls vertagt. Für den Anfang reichen 80 m völlig aus.
Wobei das Band nicht ganz kindgerecht sein könnte ;-)
Allerdings frequenzmäßig gut beherrschbar. Die 300 kHz kann man noch gut mit einem Drehkondensator beherrschen. Entweder lötet man auf einen Trimmer eine Achse auf mit einem sehr großen Knopf oder man probiert die UKW-Pakete eines Drehkondensators mit zusätzlich schaltbaren Festkondensatoren aus. Wenn Du allerdings den Einsatz eines NE612 erwägst, stehst Du schon mit einem Bein im Superhet... Und wenn die Sache keine Eile hat, kannst Du bei eBay nach dem Kosmos Radiotech (o.ä.) Baukasten Ausschau halten, der Schaltungen bis zum Superhet auf Steckbrettern ermöglichte.
Meinst Du mit einem 80 m-Band-Taschenempfänger in etwa sowas?
Ja das ist ja einmal eine nette Idee!
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Re: Hinzufügen eines Trägers zu SSB

#5

Beitrag von DocEmmettBrown »

Ok, dann habe ich das mit dieser "SSB-Demodulation" verstanden. :)
gernstel hat geschrieben: Sa 27. Apr 2019, 11:27Ich kenne eher einen Eingriff auf der ZF-Ebene eines Superhet-Empfängers. Das gab es entweder schon eingebaut oder als Zusatzgerät.
[...]
Durch die Erregung eines ZF-Kreises steigt dessen Güte und damit Schmalbandigkeit. Bis hin zur BFO-Wirkung.
Wie schon beim letzten Mal angedeutet ist die Superhet-Version noch recht weit weg in der Zukunft, alleine schon aus Kostengründen.
gernstel hat geschrieben: Sa 27. Apr 2019, 11:27
Für den Anfang reichen 80 m völlig aus.
Wobei das Band nicht ganz kindgerecht sein könnte ;-)
Inwiefern? "Kindgerecht" ist außerdem ein relativer Begriff, immerhin müssen die Blagen mit entsprechener Handmotorik bereits löten können.
gernstel hat geschrieben: Sa 27. Apr 2019, 11:27Allerdings frequenzmäßig gut beherrschbar. Die 300 kHz kann man noch gut mit einem Drehkondensator beherrschen. Entweder lötet man auf einen Trimmer eine Achse auf mit einem sehr großen Knopf oder man probiert die UKW-Pakete eines Drehkondensators mit zusätzlich schaltbaren Festkondensatoren aus. Wenn Du allerdings den Einsatz eines NE612 erwägst, stehst Du schon mit einem Bein im Superhet... Und wenn die Sache keine Eile hat, kannst Du bei eBay nach dem Kosmos Radiotech (o.ä.) Baukasten Ausschau halten, der Schaltungen bis zum Superhet auf Steckbrettern ermöglichte.
Problem dabei: Der Bausatz soll reproduzierbar sein, das heißt, die Bauteile sollten handelsüblich und im einschlägigen Fachhandel nach Bedarf bestellbar sein. Mal eben zwei, drei, fünf Kosmos-Kästen organisieren, dürfte möglicherweise schwierig werden. :clue:

Schwierig ist vor allem die Entscheidung, wie viel oder wenig man eigentlich will. Theoretisch könnte man bei unbegrenztem Budget und Bastelzeit einen halben Weltempfänger zusammenlöten, aber eigentlich geht es um ein Spielzeug und um ein Erfolgserlebnis, mit dem man vermöge ein paar verlöteter Bauteile etwas KW-Rundfunk und vielleicht ein bißchen AFu empfangen kann. Das Endprodukt sollte einen gewissen praktischen Wert haben und vielleicht zum weiteren Experimentieren einladen, dann wäre das Ziel erreicht. :D

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